Andrea Dollwets vorrangiges Thema in ihrer Malerei ist der Mensch. Mit einer besonderen Fähigkeit, die menschliche Seele zu erfassen, gelingen ihr außergewöhnlich eindrucksvolle Porträts von Menschen, die entweder ihrem familiären Umfeld entstammen oder eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Die Personen befinden sich oft isoliert in einer wunderschönen Kulisse, was beim Betrachter das Gefühl von Einsamkeit und Melancholie hervorruft. Die Schönheit der umgebenden Natur steht manchmal im krassen Gegensatz zur Niedergeschlagenheit der dargestellten Menschen und verstärkt dadurch diesen Eindruck.

Was Andrea Dollwets Arbeiten so besonders macht, ist der mutige Bruch mit konventionellen Schönheitsidealen. Sie sucht nicht nach oberflächlicher Schönheit oder reinen Glücksmomenten. Im Gegenteil, sie zieht es vor, den Betrachter in die Intimität der Einsamkeit zu führen. Die von ihr geschaffenen Porträts zeigen Menschen in Momenten der Isolation, ohne sichtbare Kommunikation, eingefangen in ihrer stillen Welt. Damit verleiht sie ihren Werken eine einzigartige emotionale Tiefe.

Ihre Arbeitsweise ist ebenso faszinierend wie vielschichtig. Ihr künstlerischer Prozess beginnt mit der Suche nach fotografischen Vorlagen, die sie entweder selbst erstellt, in Illustrierten oder im Internet findet und sie sorgfältig zusammenfügt. Hin und wieder greift sie auf historische Porträtfotos zurück. In der Kombination entsteht ein neuer Sinnzusammenhang, der den Betrachter einlädt, die Welt durch Dollwets Augen zu sehen. Die Künstlerin betrachtet ihre eigenen Fotografien als voyeuristisch, doch in dieser voyeuristischen Perspektive findet sie Authentizität und Intimität. Es ist der unverstellte Moment, in dem die Menschen sich unbeobachtet fühlen, und der die Stimmung dieser Werke prägt. Ihre Bilder transportieren bei aller Farbenfreude oft trostlose Situationen, sie brechen mit der Oberflächlichkeit und zeigen ihre Schönheit in der Tiefe der Emotionen.

Auch in ihren Landschaftsbildern, die selten belebt sind, zeigt sich Andrea Dollwets Faszination für die Vergänglichkeit. Küstenstreifen bei Ebbe, die die dunklen Austernbänke freilegt und Boote auf den Sand setzt, vermitteln eine Atmosphäre der Ruhe und des Wandels. Wie in ihren figürlichen Werken, in denen sie gerne das Gestern dem Heute gegenüberstellt, ist das hintergründige Thema ihrer Kunst das Flüchtige des Momentes, des Lichtes und des Lebens. Durch ihre Werke lädt die Künstlerin dazu ein, die Kehrseite der Schönheit in der Vergänglichen und die Poesie in der Stille zu entdecken. Sie sind ein Spiegelbild des Lebens, das nicht nur das Glück, sondern auch Einsamkeit und Isolation würdigt. Dr. Monika Maier-Speicher, Kunsthistorikerin